Schöne Aussichten ... über die Fotografien von Sibylle Hoessler
Rede von Dr. Peter Funken, gehalten am 22.5.2014 zur Eröffnung der Ausstellung in Eberswalde, Galerie im SparkassenForum
Meine Damen und Herren,
heute Abend eröffnen wir die erste Ausstellung einer vierteiligen Ausstellungsreihe, die überschrieben ist mit dem Titel "Axt im Walde" .
Die Axt im Haus, die kennen wir. Sie ersetzt angeblich den Zimmermann, und meint man könne mit einem Werkzeug und etwas Geschick ein Problem selber lösen - die Axt im Wald hingegen eröffnet ein besonderes Assoziationsfeld, denn diese Redensart meint dort wohl, dass man sich überhaupt nicht gut benimmt, geradezu ungehobelt, unhöflich und dergleichen – und der Wald ist zumindest in Deutschland - das ist seltsam - und war Thema, Resultat und Ergebnis einer großen Ausstellung über den Wald im Deutschen Historischen Museum Berlin – sofort immer ein Deutscher Wald! - und so komme ich darauf, dass sozusagen subkutan diese Ausstellungsreihe mit dem Titel versehen ist: ... Die Axt im deutschen Wald.
Aber jetzt erst einmal zur dieser Premiere - oder Ouvertüre - Ausstellung der in Berlin lebenden Künstlerin Sibylle Hoessler: sie arbeitet nicht ausschließlich aber doch überwiegend im Medium Fotografie und so auch heute Abend in ihrer mit "Schöne Aussichten" benannten Ausstellung.
Darüber schreibt sie:
SCHÖNE AUSSICHTEN
Der Wald auf den Fotos ist ein Dickicht, - in einen künstlichen Wildwuchs verwandelt, bleibt er ohne Horizont.
Die Helligkeit der konstruierten Landschaftsbilder wird durch die Reaktion des Marktes auf Naturkatastrophen ermittelt.
Dabei beeinflussen die Schwankungen an der amerikanischen Leitbörse zum jeweiligen Zeitpunkt der Ereignisse die einzelnen Fotografien. Gewinne wirken sich erhellend, Verluste hingegen verdunkelnd auf das Bild aus
Die Bildtitel ergeben eine Anthologie der spektakulärsten, teuersten und
verlustreichsten globalen Naturereignisse seit Beginn dieses Jahrzehnts.
Dieser Text der Künstlerin klingt überraschend, hört er sich zunächst an, wie zeitgenössische, experimentelle Poesie, und doch ist er vor allem die ganz konkrete Beschreibung eines künstlerischen Konzepts – eben des Konzepts für die hier ausgestellten Arbeiten von SH – und demnach handelt es sich um eine Art Anleitung oder Beschreibung zu ihrer Herstellung – denn was wir hier sehen ist kein fotografischer Naturalismus, kein Wald aus der Sicht der Romantik oder einer sachlichen Dokumentationsfotografie, sondern eine konstruierte Form des fotografischen Landschaftsbildes, oder richtiger gesagt – eines mit den Mitteln der Computer- und Fototechnik erstellten, demnach konstruierten Bild vom Wald und der Natur – und zudem : vom Geld.
Dazu später mehr ...
Nun kann man berechtigterweise einwenden, jedes Bild, das wir uns machen ist eine Konstruktion – will sagen, wenn ich ein Blümchen male oder Sie ein Pferd fotografieren, dann müssen wir immerzu an der jeweiligen Darstellung in dem Sinne arbeiten, dass wir darüber nachdenken und entscheiden, wie die Größe des Bildes, die Farben, der Ausschnitt und vieles mehr sein soll, wenn es gut werden soll und das heißt zum Schluss, eine bildnerische Darstellung ist das Produkt vieler Entscheidungen - und damit haftet ihm das Konstruierte vom Grunde auf an;
aber hier bei Sibylle Hoessler besagt das Konzept zur Konstruktion aber noch etwas anderes, denn darin zeigen sich im vermeintlichen Naturbild Kurse und Kursentwicklungen an der New Yorker Börse, also Tage der Baisse oder Hausse - Schwankungen und Entwicklungen – Gewinne und Verluste – und dies an Waldbildern, die die Künstlerin übrigens nahe Wandlitz am Liepnitzsee, zirka 20 Kilometer von hier entfernt aufnahm – mit analoger Fototechnik. Es sind aber auch bearbeitete Bilder, das sieht man wenn man etwas länger hinschaut – diese Waldwelt ist zusammengesetzt, gestückelt, montiert, sie zeigt Überblendungen und dann erkennt man auch sofort mehr oder weniger deutlich Bildmontagen, die mit Photoshop entstanden sind. Zudem sind die Aufnahmen – das fällt unmittelbar auf - mehr oder weniger hell und dunkel – wobei das Dunkle je nach Intensität bei den Bildern davon berichtet, dass der Dow Jones an dem besagten Tag oder Zeitraum runterpurzelte, helle Bilder zeigen je nach Helligkeitsgrad an, dass es bei der Dow Jones Notierung nach oben ging, also Gewinne gemacht wurden – und dies immer – jetzt wird ein weiterer Teil des Konzepts beschrieben - aufgrund eines Zusammenhangs mit Naturkatastrophen, - auch die Titel der Fotos verweisen immer auf konkrete Naturkatastrophen in diesem Jahrhundert – auf Waldbrände, Tsunamis, Erdbeben, Stürme oder Vulkanausbrüche, mehr oder weniger von Menschen verursachte, aber auf jeden Fall erlittene Ereignisse, die hier mit den fotografischen Bildern in Verbindung gebracht werden ... darin besteht das Konzept der Künstlerin – dass sie zwischen Fotobildern des Waldes, der von ihr durchgeführten Montage, dem jeweiligen Naturunglück und dem Stand des Dow Jones Index in der Zeit der Katastrophe eine Beziehung herstellt und stiftet ... das hat gewiss etwas Künstliches oder vielleicht sogar Willkürliches, aber auch nicht ganz, denn SH sagt und zeigt anhand der Helligkeitswerte, dass die Naturereignisse nur bedingt eine negative Entwicklung an den Märkten bedeutet haben. Der größte Versicherer weltweit, die Münchener Rück, hat Naturkatastrophen sozusagen bereits eingerechnet – selbst ihr bislang teuerstes Versicherungsjahr 2010 war nur bedingt von Naturkatastrophen negativ betroffen - und ähnliches gilt für die gesamte Wirtschaftsentwicklung – bislang – negativ sind die Katastrophen vor allem für jene, die Haus und Hof verlieren oder sogar ihr Leben ... Vielleicht sind die Fotos, die Sibylle Hoessler zeigt auch deshalb von einer Melancholie getragen, denn ein wirklich romantisch, konventionell schön stilisiertes Waldbild sucht man in dieser Ausstellung vergeblich.
Wir haben es also mit einem künstlerischen Konzept zu tun - nicht nur mit einer bloßen Bildproduktion, - ein Konzept, das sowohl mit Natur und Naturkatastrophen, als auch mit Geld, Finanz - und Wirtschaftsentwicklung zu tun hat – das macht ja auch deshalb einen Sinn, weil das Konzept und die Ausstellung damit den Ort der Ausstellung – eben ein Geldinstitut - miteinbezieht und reflektiert. Dies alles im Zusammenhang einer Welt, die auf natürliche Weise entstanden ist und dennoch durch den Menschen immerzu und kaum zu vermeiden künstlich ist und gemacht wird - und das Geld ist nun mal das aller künstlichste was es überhaupt gibt! Zu sehen, wie die Montage aus dem Bild der Natur – also dem Gewachsenen – etwas Künstlerisches macht, dazu regt die Ausstellung von Sibylle Hoessler auch ein und an, ebenso darüber zu reflektieren, wie Natur und Kultur - also auch Wirtschaft, Finanzwesen und Ökologie – und zudem die Kunst – also Formen der Mitteilung und des Ausdrucks - in einem direkten Kontakt stehen und gebracht werden können, - dies zeigt diese Ausstellung ebenfalls. Peter Funken